Der abermals sehr gut besuchte und mittlerweile 36. Westdeutsche Betreuungsgerichtstag am 19. März 2024 in Bochum stand unter dem Motto „Watt geht? – Ein Jahr Betreuungsrechtsreform – Bestandsaufnahme und Praxischeck“. In verschieden Vorträgen wie auch gemeinsam im Plenum wurden die Hürden und Herausforderungen des neuen Betreuungsrechts nach einem Jahr Praxis beleuchtet.
Dabei berichtete Jan Waßenberg, Richter am Amtsgericht Essen und z.Zt. Referent im Bundesjustizministerium über die derzeitigen Überlegungen und Entwicklungen zum Betreuungsrecht im Ministerium:
1. Die Vergütung der Berufsbetreuer/innen solle nach dem Inflationsausgleich bis zum Ende dieser Legislaturperiode (Sommer 2025) neu geregelt werden. Derzeit werde die dazu geführte Umfrage ausgewertet.
(Zu diesem Thema werden wir Sie mit unserem nächsten Post eingehend informieren.)
2. Das reformierte Betreuungsrecht sei mit dem Aktualisierungsbericht dem UN-BRK- Fachausschuss im Rahmen der zweiten Staatsprüfung vorgelegt und behandelt worden. „Zu Artikel 12 UN-BRK empfiehlt der Ausschuss weiterhin die Abschaffung aller ersetzenden Entscheidungen und deren Entscheidungsfindung.
Dies ist im deutschen Recht aus guten Gründen nicht umsetzbar.
Außerdem fordert der Ausschuss eine umfassende nationale Strategie zur Umsetzung von Mechanismen der unterstützten Entscheidungsfindung auf allen Ebenen (Bund, Länder und Kommunen).
Der Ausschuss fordert zudem zu Art. 14 und 15 UN-BRK das Verbot jeglichen Zwangs, d.h. von freiheitsentziehender Unterbringung, sonstigen freiheitsentziehenden Maßnahmen sowie ärztlichen Zwangsmaßnahmen, die weiterhin als Folter eingeordnet werden.
Trotz intensiver Erläuterung der betreuungsrechtlichen Regelungen und ihrer Hintergründe bleibt der Ausschuss bei seiner Rechtsauffassung, die das krankheits- oder behinderungsbedingte Fehlen der rechtlichen Handlungsfähigkeit als Phänomen vollständig negiert und die vom BVerfG betonte staatliche Schutzpflicht ablehnt. Dieser Konflikt kann angesichts der BVerfG-Rspr. gesetzgeberisch nicht aufgelöst werden.“
3. Die Evaluierung des § 1906a BGB (a.F.) („Ärztliche Zwangsmaßnahmen“) sei abgeschlossen. Der Bericht dazu werde in Kürze veröffentlicht. „Im Ergebnis: ausdrückliche Empfehlung, am restriktiven Ansatz des § 1906a BGB a.F. (Koppelung ärztlicher Zwangsmaßnahmen an stationären Aufenthalt im Krankenhaus) festzuhalten und keine Ausweitung ärztlicher Zwangsmaßnahmen auf Wohneinrichtungen und Heime vorzunehmen.
Parallel dazu: Mit Beschluss vom 8.11.23 hat BGH dem BVerfG § 1906a Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 BGB a.F. im Wege der konkreten Normenkontrolle zur Prüfung vorgelegt – BGH hält Koppelung der Zwangsmaßnahme an stationären Krankenhausaufenthalt für mit der Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar.“
4. Das Zentrale Vorsorgeregister (ZVR) solle ausgebaut und digitalisiert werden. Die dann bildlich erfassten Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen könnten somit von allen Berechtigten (z.B. Ärzt/innen) eingesehen unmittelbar eingesehen werden. Eine mögliche Rechtsverbindlichkeit dieser digitalen Dokumente (ohne Vorlage eines Originals) werde derzeit diskutiert und geprüft.
5. Der Ausbeutung älterer Menschen durch Vorsorgevollmachten solle begegnet entgegengewirkt werden. Derzeit würden die Schutzmöglichkeiten bei Vorsorgevollmachten diskutiert. Auf die dringende Notwendigkeit dazu weisen Fachleute aus dem Betreuungswesen und die Kriminalpolizei schon lange hin.
(Siehe dazu unser Posting vom 14. Juli 2023 „Die Kriminalpolizei rät: Vorsicht bei der Vorsorgevollmacht!“: https://www.betreuerinnen-weiterbildung.app/aktuell?M=117672775″ target=“_blank“>https://www.betreuerinnen-weiterbildung.app/aktuell?M=117672775 )